KRIM-BRÜCKE von Osten
– Крымский мост

Am Anfang die Brücke, doch verweile …

Folgender Feuilleton-Beitrag auf deutsch befaßt sich mit französischen Opern von Christoph Willibald Gluck (1714-1787) wo Inhalt von der Halbinsel Krim vorhanden ist, und einer viel späteren cineastischen Kostbarkeit: „Die Dame mit dem Hündchen“ – hoch geschätzer sowjetischer Spielfilm aus dem Jahre 1960, Regie: Jossif Jefimowitsch.

Die neue Krimhalbinsel-Brücke (2018 eröffnet) von Osten wird als Ausgangspunkt ausgenutzt und nach den besten Quellen (Economist) kommentiert.

By Росавтодор – http://rosavtodor.ru/press-center/media/photo/232301, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73177126

TEXT: Ingemar Schmidt-Lagerholm

Am 15 Maj 2018 wurde sie offiziell eröffnet, die neue Brücke vom Osten her zur Halbinsel Krim, wo Orte wie Jalta, Sewastopol, Feodossija sich befinden. Die Brücke über die Straße von Kertsch. Die Meeresenge des Asowschen Meeres wo im Norden der Don bei Rostow seine breite Mündung hat. Die Brücke verbindet einige Inselchen. Über die Insel Tusla ist die Verbindung 19 Kilometer lang. (Öresundsbrücke 16 Km).

Hat man die Brücke zu rasant und voreilig gebaut? Gewiß, das geht mich ja alles nichts an. Doch, eine anfängliche Bewunderung habe ich nicht umhinkommen können. Die arme Bevölkerung im fast stillgelegten Osten der Ukraine unterschätzt ja total das wirkliche Desinteresse von Seiten Moskaus und der Oligarken. Nicht eine Spur eigenartig daß diese Leute die Ost-Ukraine vermeiden haben wollen. Und gerade östlich über Rostow geht das Netz der Eisenbahn weiter nach Kaukasus.

Auf Verkehr mit Privat-Autos will man auf der ganzen eroberten Halbinsel verzichten. Lauter Umweltfreundlichkeit?  Na gut, diese Maßnahme dient sicherlich auch der einfacheren Überwachung in einem autoritären Staat. Für LKW:s und Busse vierspurige Autobahn. Zweigleisig für die breite russische Eisenbahn (1520/1524 mm Spurbreite gegenüber der europäischen (ursprünglich englischen) ‚Normalspur‘ 1435 mm.) Demnächst Hochgeschwindigkeitszug (Высокоскоростной поезд) Moskau-Jalta.

Die nicht gerade flache Landschaft der Halbinsel Krim sollte geschützt werden. Aber die allgemeinen Umweltschäden durch den Brückenbau können riesig werden. Zwischen Skagerrak und Ostsee findet ein Wasseraustauch statt. Bei starkem Wind fließt das Wasser praktisch nur durch Öresund in die Ostsee und umrundet südlich Fünen. Bei schwächeren Winden ist es umgekehrt. So findet Immer ein Austausch von Salzwasser und Brackwasser statt. Seit der Fertigstellung der Öresundbrücke im Jahre 2000 hat sich daran nichts verändert.

Zum Vergleich: In wenigen Jahren haben sich die Strömungen um die Krim verändert. Im Sommer ist das Wasser wärmer als vor dem Bau und im Winter kälter. Seit dem Bau der Brücke bleibt im Winter Treibeis an den Pfeilern der Brücke hängen und richtet Schaden an. Vor dem Bau war die Insel Tusla ein wichtiges Rückzugsgebiet für Meeres- und Zugvögel. Werden die Vögel je ihren Weg zurück finden?

Tiefgang mehr als 7 Meter ist undenkbar. Die brauchbare Höhe der Krim-Brücke beträgt 33 Meter. (Entsprechende segelfreie Höhe der Öresunder Brücke hat 57 Meter). Die wichtigen Häfen im Asowschen Meer   – Mariupol (Ukraine) und Rostow (Rußland) –    können jetzt nur noch seltener von Großfrachtern angelaufen werden. Ein wirtschaftlicher Nachteil, womit man wohl kalkuliert hat.

Die russische Annexion von Krim.
Wie ein Laie generell darüber denkt
.

Die oligarchische Putin-Angliederung von der Halbinsel Krim an Rußland ist definitiv und bleibt. Mit völkerrechtlichen Argumenten kan kein Politiker daran etwas ändern. Gerade dort waren russische Marineeinheiten “seit Mensschengedenken“ stationiert. Heimathafen. Seit der Tzarenzeit (neunzehntes Jahrhundert) hat die russische Oberschicht auf der Krim ihr sommerliches Paradies. Prozentangaben und absolute Zahlen sind in der heutigen Lage kaum zuverlässig.

Möglicherweise gut 2 Millionen Einwohner. Militärs und Personal. Über 60% Russen. Vielleicht knapp 20% Ukrainer. Juden 17 000 vor 1941. Holocaust hat sie vernichtet. Sogenannte “Krimtataren“ existieren als Überbleibsel eines asiatischen Großreiches (Goldene Horde) hauptsächlich im 14.Jahrhundert, Timur Lenk (Tamerlan). Wenn es auf der Krim etwa tausend Karaime gibt halten sie sich für Soldaten. Leibgarde, Kriegerelite, Generalissimi bei Stalin so wie etliche Jahrhunderte davor bei litauischen Großfürsten. Die Ortschaft Trakai etwas westlich von Vilnius kann davon erzählen. Dort haben sie Verwandte mit denen sie langfristisch in Kontakt stehen. Vor Talmud zum Judentum konvertiert. Haben sich in gewissen Hinsichten isoliert.

Russisches Eisenbahnnetz. Hauptlinien, ungefähr ab 1890.
Eine südliche Linie von Moskau nach Kiev (außerhalb Weißrußlands). Und eine östlichere, über Rostow am Don, (russisch Росто́в-на-Дону́, Rostow-na-Donu). Richtung Tschetschenien und Kaukasus. Der Osten der Ukraine blieb und bleibt fast ohne Eisenbahnbedienung.

Link zur Karte Asowsches Meer.

An verschiedenen Stellen zoomen. Bei sehr kräftigem Zoomen treten die kleinen Inseln hervor, worüber die Brücke verläuft. Der für Rußland ganz zentrale Fluß Don (mit seinen singenden Kossacken) hat seine breite Mündung bei Rostow im Nordosten des Asowschen Meeres.

OPER und THEATER auf der KRIM

Hinterläßt die Halbinsel Krim irgendwelche künstlerische Spuren in der Literatur oder in der Geschichte der Oper (Gesang und Orchester)?

Die Antwort ist ein dröhnendes JA.

ES GIBT DIE IPHIGENIE.

In der griechischen Antike war die Orestes-Schwester Ifigenie eine Art Sinnbild der Halbinsel Krim, damals Tauris (latein) oder Tauroi (griechisch) genannt.

So wie Rom (eigentlich Roma) eine Weiblichkeit ist, ist auch die Krim eine Femina. Und mit sinnbildlichem Namen heißt sie Iphigenie. So alt wie die Sage. „Der trojanische Krieg“ (Wenn es ihn überhaupt gab) hatte einen teorethisch möglichen Platz in der Geschichte vor etwa drei-vier tausend Jahren. Die eventuellen Erzählungen des Homers wurden Jahrhunderte lang dauernd mündlich vorgetragen, kolportiert. „Oral literature“ mehr als schriftliches. Variiert, improvisiert.

Bei den großen griechischen Tragöden-Literaten (Dramaturgen im sechsten Jahrhundert vor unserer Zeit) taucht die Iphigenie auf. Sie ist Tocher von Agamemnon und Klytämnestra, Schwester von Orestes. Eine Schlüsselstellung hat sie in den Dramen von Aiskylos, Sophoklos, Euripides. Viel später   – im achtzehnten Jahrhundert,  zu den Zeiten Glucks –   gab es zahlreiche Nachdichtungen wie Seneca, Racine, es kommen noch Goethe, Hauptmann.

Ihr Name wird unterschiedlich buchstabiert  –  f oder ph. Auch die Form Infianassa (Homer) kommt vor. Iphigenie sollte geopfert werden. Aber sie täuscht ihre griechischen Verwandten in Aulis (Aulida), überläß ihnen eine Hindin und fliegt/flieht selbst nach Tauris (Krim). Im Südwesten der Halbinsel Krim, die heutige Bucht von Sewastopol (Chersonessos der Antike) findet man den Schoß (die illusorische Vagina), der von ihr geschützt werden soll. Schiffbrückige spermatische Eindringlinge werden persönlich von der Oberpriesterin Iphigenia im Tempel zeremoniell enthauptet.

Die Fahrt von der griechischen Aulis nach der skythischen Tauris (Krim) findet ja nur bei Euripides (405 VuZ) statt. Gluck (1774) hat in seiner Aulide-Oper einen von vielen Parteien sehr umstrittenen Schluß mit allgemeinem ‚HappyEnd‘. Iphigenie hätte sogar den Achilles heiraten können. Es gab Revisionen. Auch von Gluck selbst in Richtung Euripides.

Die beiden Iphigenia-Werke vom Opernreformator Christph Willibald Gluck (1714-1787). Könnte man einen Vergleich auf eine Formel bringen? Ist „Aulide“ melodischer und „Tauride“ dramatischer ? Oder von einem Kenner ‚besser gesungen‘. (Meldet sich jemand der es besser ausdrückt?)

Und worin bestand die Glucksche Opernrefom? Weniger gekünstelter Gesang. Vor allen Dingen: absolut keine Kastratensänger. Mehr echte Dramatik. Situationen die der Realität nahestehen. Weg mit überflüssigen Göttern in den Kulissen. Rokoko statt Barock.

Ein höchst wesentlicher Teil der inneren Problematik der Iphigenia ist das Verhältnis Vater-Tochter. Die spätere wagnerische Situation Wotans mit Brünnhilde wird vorweggenommen in Gestalt von Agamemnon und Iphigenia. Die Ehre des Vaters sei hier der Tochter teurer als ihr eigenes Leben. Die in „Aulide“ anwesende Mutter Klytämnestra erlebt als Vision (Alptraum) den Opfertod Iphigenies und   – nach einer elegischen Bitte um Schutz des Iphigenia-Verlobten Achilles –    ruft sie den Zorn der Götter auf Griechenland herab.

Der Orestes (in der Tauride-Oper) hat Alpträume. Und das Publikum weiß das es sich um wahre Zukunftsvision handelt. Nach seiner Furienarie sinkt er erschöpft zu Boden. Endlich glaubt er, seine Seelenruhe zu finden (Le calme rentre dans mon coeur   Der Frieden kehrt in mein Herz zurück)  „aber das ruhelose Streicherbeben mit den gegenrhythmischen Bratschen, den Seufzerfiguren in den Violinen und dem ostinaten, die D-dur-Tonika in Frage stellenden A im Baß straft seine Worte (Ulrich Schreiber, Vol I  Seite 322)

Ein Bild aus dem französisch gesungenen Bluray-disc Gluck: „Iphigénie“. Zweiter Teil „Iphigénie en Tauride“ (Paris 1779). Orestes behauptet er sei nach einem Alptraum wieder ruhig. „Le calme rentre dans mon coeur“. Die Musik spricht aber dagegen. Jean-Francois Lapointe exequiert diese Partie für Baßbariton, Marc Minkowski dirigiert. Die Regie hat Pierre Audi in Amsterdam.

In seiner Erfolgszeit als Kapellmeister ‚auf Lebenszeit‘ in Dresden hat Richard Wagner im Jahre 1847 eine eigene Bearbeitung der Gluckschen Aulis-Oper aufgeführt   – wartend auf “Lohengrin“. Richard Strauss brachte eine neue Edition der Gluckschen Tauris-Oper 1900 in Weimar heraus. Es war seine Zeit als Opern-Novis, mit “Feuersnot“ aber vor “Salome“ und “Rosenkavalier“.

 

DAVOR WÄHREND DANACH
“Aulis“ Euripides „Der trojanische Krieg“ “Tauris“ Euripides
Im Theater 405 VuZ 10 Jahre lang. Viellecht stattgefunden “vor etlichen Tausend Jahren“. Im Theater 412 VuZ
als Menschenopfer verlangt In den ‚Homerschen Texten‘ „Die Ilias“ und „Die Odyssee“ kommt Iphigenia in der Namensform Infianassa vor. Eindringlinge töten
Gluck Paris 1774 Gluck Paris 1779
Kassel 1782 Wien 1781
Wien 1805 Rheinsberg 1783
Schwedische Auff.:

  • Bollhuset 1778
  • Drottningholm 1954
Schwedische Auff.:

  • Kgl Teatern 1783
  • Drottningholm 1960

Die Dame mit dem Hündchen
(russisch: Дама с собачкой)

Die Dame mit dem Hündchen (Anton Tschechow). Eine Exklusivität in der künstlerischen russischen Literatur mit spürbarem Duft nach Krim fügen wir nach Tschechowscher Art hinzu. Als Krim-Touristen haben wir Dmitrij (Gurow) und Anna (Sergejevna) in der berühmten Novelle „Die Dame mit dem Hündchen“ von Anton Tschechow. Veröffentlicht im Jahre 1899. Die nostalgische Handlung spielt auf Krim   –  in Saratow rechts der Volga und in der Metropole Moskau.
Die Dame mit dem Hündchen (russisch: Дама с собачкой,) ist ein hoch geschätzter sowjetischer Spielfilm aus dem Jahre 1960. Schwarz-weiß 4:3 (1h23).  (Kassette der DVD-Ausgabe)

Die Dame mit dem Hündchen (russisch: Дама с собачкой,) ist auch ein hoch geschätzter sowjetischer Spielfilm aus dem Jahre 1960. Schwarz-weiß 4:3 (1h23).  In der Regie von Jossif Jefimowitsch Cheifiz (1905-1995, russisch Иосиф Ефимович Хейфиц), Musik: Nadescha Simonja (einschließlich Kletzmer).

Begegnung, Begierde auf der Krim. Anna ihrerseits zu früh verheiratet in der damaligen Kleinstadt Saratow. Dmitrij seinerseits hat eine Familie mit wohlerzogegen Schulkindern in der Metropole Moskau. Zum Alltag zurück. Abschied auf dem Plattform. Russisches fin-de-siecle (um 1900) vor dem Staatsstreich von Lenin.

Eine Bilderfolge aus dem Film.

Abschied auf dem Plattform.
Reise in erster Klasse.
Die Plattform wird leer.

I S-L